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Studienreise des ZIP-HSS Grauduiertenkollegs nach Poznań und Łódź

Bericht über die Studienreise nach Poznań und Łódź, 14.-18.07.2013

Unsere Studienreise begann am 14.07.2013 vor dem Audimax-Gebäude der Europa-Universität Viadrina, von wo unsere Gruppe gen Poznań aufbrach. Die Studienreise unter der Leitung der Direktorin des Zentrums für interdisziplinäre Polenstudien Frau Prof. Dr. Dagmara Jajeśniak-Quast erfolgte mit der finanziellen und ideellen Unterstürzung der Hanns-Seidel-Stiftung und unter der Mitarbeit von Herrn Dr. Philipp Zessin-Jurek von Viadrina Center for Graduate Studies. Für die inhaltlichen und organisatorischen Vorbereitungen der Reise waren ebenfalls Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ZIPs verantwortlich.

Nachdem wir gegen 19 Uhr unser Hotel NH an der Św. Marcin Straße erreicht und unsere Zimmer bezogen haben, eröffneten wir unsere Studienreise feierlich mit einem Abendessen im Restaurant „Przy Bamberce“ am schönen Altstadtmarkt Stary Rynek in Poznań. Dort hatten wir die Gelegenheit, uns nochmals zu begrüßen, insbesondere Herrn Prof. Dr. Hans-Peter Niedermeier und Herrn Dr. Czepalla von der Hanns-Seidel-Stiftung und uns bezüglich unserer Erwartungen an die Studienreise auszutauschen.

Am nächsten Tag, nach dem reichhaltigen Frühstück trafen wir uns vor dem Hotel, um die Besichtigung von Poznań anzufangen. Die Schwerpunkte des Stadtrundgangs wurden so sorgfältig gestaltet,  dass wir die wichtigsten Gebäude und Plätze in der Stadt sehen konnten. Der Ausgangspunkt der Stadtführung war die berühmteste Straße in Poznań: Święty-Marcin-Straße, an der sich der Kaiserschloß befindet. Das monumentale Gebäude der ehemaligen Residenz des deutschen Kaisers Wilhelm II. wurde in den Jahren 1904 – 1910 gebaut  und knüpft in seiner Architektur an mittelalterliche Schlösser an. Während des zweiten Weltkriegs wurde das Gebäude als Hitlers Residenz umgebaut. Zur Zeit befindet sich dort ein kulturhaus der Stadt.

Unsere Route führte weiter zum Adam-Mickiewicz-Platz, in dessen Mitte das Denkmal des polnischen Nationaldichters Adam Mickiewicz steht. Der Platz wird vor allem mit den blutigen Protesten der Arbeitgeber im Juni 1956 assoziiert. Den Opfern dieser Ereignisse wurde das zum 25. Jahrestag enthüllte Denkmal in Form schreitender Kreuze gewidmet.

Auf dem Weg zum Alten Markt gingen wir u. a. am polnischen Theater, der Raczyński-Bibliothek und dem Hypolit-Cegielski Denkmal vorbei.

Im letzten Teil der Stadtführung hatten wir die Gelegenheit die Anmut des Alten Markts zu bewundern. Am Bamberka-Brunnen mit der Skulptur eines Wasser tragenden Mädchens hörten wir mit großem Interesse die Geschichte der Bamberger aus Obenfranken, die sich im 18. Jahrhundert in Posen angesiedelt hatten. Nach dem Besuch der St.-Stanisław-Kirche erwarteten wir den Kulminationspunkt der Stadtführung – den Kampf der zwei Posener Böcke, die sich täglich um 12:00 auf der Platform des mittleren Türmchens zeigen. Zum Abschluss des an der Geschichte reichen Vormittags machten wir eine zweistündige Mittagspause im Restaurant „Manekin“.

Mit neuen Kräften waren wir um 14:00 Uhr bereit auf das nächste Treffen bei der Stadtverwaltung Posen. Im Gegensatz zum ersten Teil des Tages wurden wir mit der Gegenwart und Zukunft der Stadt konfrontiert. Die Beamten präsentierten wesentliche Angaben, Tatsachen, Statistiken bezüglich der Bevölkerung und Entwicklung der Stadt. Der erste Vortrag  betraf die Entwicklungsstrategie mit Berücksichtigung der demographischen Realität. Zu den strategischen Zielen der Stadt wurden die wettbewerbsfähige Wirtschaft, gute Qualität der Bildung und des Wohnungsbauwesens, Attraktivität des kulturellen Lebens sowie Aufbau der Metropole genannt. Das letzte Postulat ergibt sich aus der Tendenz der Bevölkerung, die lieber die Stadt verlässt und in die umliegenden Gemeinden umzieht.

Im Anschluss daran ergriff Frau Karolina Szalewska, von der Abteilung für Wirtschaft und Landwirtschaft, das Wort.  Sie stellte die Programme für die  Unterstützung der Unternehmer dar. Bei der Beantwortung zahlreicher Fragen der Stipendiaten erklärte sie die Grundsätze der Funktionsweise der Technologieparks und Inkubatoren für die angewachsenen Geschäftsmänner. Darüber hinaus wurden wir mit ausländischen  Investitionen und Werbekampagnen der Hochschulen in Posen vertraut gemacht.

Nach der interessanten Diskussion in der Stadtverwaltung machten wir einen Spaziergang bis nach Ostrów Tumski. Dort besuchten wir zunächst den ältesten, im Jahr 968 errichteten polnischen Dom - die erzbischöfliche St.-Peter-und-Paul-Kathedrale. Der Posener Dom ist insbesondere als Grablege polnischer Könige und Herrscher aus der Piastendynastie berühmt. Anschließend besuchten wir die 1998 errichtete Theologische Fakultät der Universität Poznań, an der wir den Vortrag von Frau Dr. hab. Elżbieta Adamiak zum Thema „Perspektiven der feministischen Theologie in Polen“ beiwohnen konnten. Frau Adamiak erläuterte die Entwicklungsgeschichte der feministischen Theologie in Westeuropa nach dem 2. Vatikanischen Konzil und ihrer Verbindung zur 2. Welle der Frauenbewegung in den 1960er Jahren. Sie betonte dabei die nachkonziliare Bedeutung der Laiinen- und Laienbewegung für die Entwicklung dieser Theologie. Frau Adamiak nannte die Strömungen der feministischen Theologie: die postchristliche (radikale) Strömung (Hauptvertreterin Mary Daly) und die reformorientierte Strömung (u.a. Elizabeth A. Johnson, Catharina Halkes, auch Frau Adamiak steht dieser Strömung nah). Laut Frau Adamiak ist die feministische Theologie  in Polen beinahe  unbekannt, die Begriffe feministisch oder gender sind  im allgemeinen umstritten und insbesondere in kirchlichen Kreisen sehr skeptisch angesehen. Anschließend entwickelte sich eine interessante Diskussion in der u.a. auf die Sprache der Kirche in Polen und die Handlungsmöglichkeiten von Frauen in der katholischen Kirche eingegangen wurde. Den zweiten Tag unserer Studienreise schlossen wir mit einem gemeinsam Abendessen im Restaurant „Bee Jays“ in der Altstadt ab.

Am Dienstag, den 16.07., brachen wir um 8 Uhr zu einer ca. dreistündigen Busreise gen Osten auf und erreichten gegen ca. 11.00 Uhr die Stadt Łódź und die dortige Fakultät für Internationale und politische Studien der lokalen Universität. Dort wurden wir von unserem Gastgeber Prof. Tomasz Domański, den Dekan der Fakultät begrüßt und hörten anschließend seinen Vortrag, mit dem er uns seine Fakultät vorstellte. Prof. Domański betonte insbesondere die Interdisziplinarität und Internationalität seiner Fakultät, welche aus verschiedenen Disziplinen besteht (humanistisch, sozial-ökonomisch, politikwissenschaftlich, Marketing). Die Fakultät besteht aus vier Studienrichtungen, zwölf Schwerpunkten und sieben postgradualen Studienrichtungen. Es besteht eine breite internationale Zusammenarbeit, den Studierenden stehen mehrere ausländische Partneruniversitäten für Auslandssemester zur Verfügung. Darüber hinaus bietet die Fakultät für Internationale und politische Studien die Möglichkeit, das Studium in verschiedenen Fremdsprachen zu absolvieren. Die Absolventinnen und Absolventen dieser Fakultät sind dadurch bestens für den globalen Arbeitsmarkt vorbereitet. Nach der Diskussionen zum Thema Interdisziplinarität sowie zur Stadt Łódź als Universitätsstandort begaben wir uns, nach einem gemeinsamen Erinnerungsfoto, mit Prof. Domański zur Juristischen Fakultät der Universität Łódź.

Dort wurden wir sehr herzlich vom Professor Witold Kulesza begrüßt und zu seinem Vortrag eingeladen. Professor Kulesza als ehemaliger Direktor der Hauptkommission zur Strafverfolgung von Verbrechen gegen das polnische Volk wählte das Thema aus diesem Bereich aus. Während des Vortrags las er den Sachverhalt vor, der in der Zeit des zweiten Weltkriegs vorkam. Der Fall zeigte die Grausamkeit und Ungerechtigkeit des totalitären Rechtsystems im Dritten Reich. Die zahlreichen Generalklausel und unpräzise Regelungen ließen die weite Auslegung der Rechtsvorschriften  zu, was der Rechtsbeugung zugrunde lag. Professor Kulesza stellte die These auf, dass die damaligen Juristen leistungsfähige Werkzeuge des totalitären Staates waren und für ihre Handlung als Täter haften sollen.  Zum Abschluss berichtete er uns von seinen Erfahrungen von den Strafverfolgungen der im zweiten Weltkrieg begangenen Verbrechen.  Er äußerte seine Enttäuschung, dass die damaligen Richter und Staatsanwälte nie bestraft wurden, obwohl sie tausende unschuldige Menschen zum Tode verurteilt hatten.Nach dem abgeschlossenen Vortrag aßen wir zusammen zu Mittag und setzten die Diskussionen über den Vortrag fort.

Am Nachmittag gab es die Zeit für das Kennenlernen der Stadt Łódź, die sich in der Zwischenkriegszeit durch die multikulturelle Gesellschaft und Textilindustrie durchzeichnete. Neben Polen lebten in  Łódź die Deutschen und Juden, die zusammen für die Industrialisierung und wirtschaftliche Entwicklung der Stadt arbeiteten.  Die damalige Stimmung  des Ortes konnten wir während der Stadtrundfahrt sowie beim Besuch  des Historischen Museums von  Łódź im Palast von Izrael Poznański erfahren.  Die Figur von Izrael Poznański - Fabrikant und Gründer der Webereifabriken - drückte ihren Stempel auf die Entwicklung und Architektur der Stadt auf. 

Das nächste Ziel der Reise war das Ghetto Litzmannstadt, das vor allem als Zwischenstation vor Deportation in die Vernichtungslager Kulmhof (Chełmno), Auschwitz II, Majdanek, Treblinka und Sobibor diente. Dank dem Engagment des Leiters konnten wir die Holocaust-Gedenkstätte Radegast  sehen und die Geschichte des Ghettos anhören.

Zum Abschluss lernten wir noch die moderne Seite der Stadt kennen, indem wir einen Spaziergang entlang Piotrowska -Straße machten. Die Piotrowska–Straße ist mit über vier Kilometern Länge eine der längsten Einkaufsstraßen Europas, in der sich die wichtigsten öffentlichen Ämter, Läden, Restaurants, Gaststätte befinden.

Nach der Stadtführung besuchten wir das Grohmann-Haus - die Begegnungsstätte der Deutschen Sozial-Kulturellen Gesellschaft, eines Vereins der deutschen Minderheit in Łódź. Dieses Haus wurde 1845 vom Traugott Grohmann gebaut, dem Begründer einer der wichtigsten deutschen Fabrikantenfamilie in Łódź. Dort fand beim gemeinsamen Abendessen ein Treffen der Generationen statt, es entstand ein berührender und interessanter Dialog zwischen Jung und Alt, zwischen Deutschen und Polen, an dem wir unsere gemeinsame Geschichte reflektieren konnten. Im Grohmann-Haus besuchten wir ebenfalls eine kleine Ausstellung, welche uns Einblick in das Leben der Deutschen in Łódź ermöglichte, insbesondere ihre Rolle während der Industrialisierung von Łódź im 19. Jahrhundert. Wir konnten dort u.a. Fotografien aus dem Fabrik- und Alltagsleben der Deutschen in Łódź sowie Schulzeugnisse und Meisterbriefe aus dem 19. Jahrhundert betrachten.Damit schlossen wir unseren an Eindrücken reichen Aufenthalt in Łódź ab und traten unsere Rückreise mit dem Bus nach Poznań.

Am Mittwoch, den 17.07. präsentierten wir, die Doktorandinnen und Doktoranden des ZIPs, unsere Dissertationen. Neben Frau Prof. Jajesniak-Quast und weiteren ZIP-Mitarbeitern sowie Herrn Prof. Niedermeier und Herrn Dr. Czepalla von der Hanns-Seidel-Stiftung und Herrn Dr. Zessin-Jurek konnten wir ebenfalls Herrn Dr. Michał Nowosielski, den Direktor des Westinstituts in Poznań als interessiertes und kritisches Publikum gewinnen. Es erfolgten insgesamt 14 Präsentationen, welche von lebhaften und aufschlussreichen Diskussionen begleitet wurden. Die detaillierte Beschreibung unserer Präsentationen erfolgt in einem gesonderten Bericht. Den letzten gemeinsamen Abend verbrachten wir bei einem gemeinsamen Essen, wo wir unsere Diskussionen fortsetzen und unsere Eindrücke der Studienreise austauschen konnten. Am nächsten Morgen, am Donnerstag, den 18.07. endete unsere Studienreise mit der gemeinsamen Rückreise per Bus nach Frankfurt/Oder.

Karolina Wróblewska und Joanna Staśkiewicz