Michalina Golinczak
Fast dreißig Jahre nach dem Zusammenbruch des sozialistischem Systems in Osteuropa erlebt der Antikommunismus in Polen seine Renaissance und bildet einen der zentralen politischen Diskurse des Landes. Er ist rechtlich verankert, durchzieht die Erinnerungs- und Popkultur, prägt die Sozialwissenschaften und wirkt sich auf die Geschichts- und Tagespolitik aus. Der antikommunistische Konsens umfasst alle gesellschaftlich relevanten ideologischen Lager und wird auch von links kaum infrage gestellt. Der Antikommunismus nimmt dabei zahlreiche, teils widersprüchliche, Formen an. Sie reichen von einer prinzipiellen Gegnerschaft zum Marxismus und den klassischen Theoretiker*innen des Kommunismus über eine pauschalisierende Kritik an der Volksrepublik Polen bis hin zu einer allgemeinen Ablehnung linker und teilweise sogar liberaler Ideen. In dem Vorhaben analysiere ich die Funktionsweise der diskursiven Vorherrschaft des Antikommunismus in der Dritten Republik, welche bisher nicht systematisch untersucht wurde. Die Dissertation ist interdisziplinär angelegt und greift Theorien und Methoden der Geschichts-, Kultur-, Sozial- und Politikwissenschaften auf. Den Rahmen bilden dabei geschichtspolitische Ansätze und die Hegemonieanalyse nach Martin Nonhoff, entwickelt in Anlehnung an die postmarxistische Diskurstheorie von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe. Die Arbeit trägt zu einer zeitlichen, räumlichen und methodologischen Erweiterung der Antikommunismusforschung bei. Sie bietet darüber hinaus einen Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen aktueller gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen in Polen, wie beispielsweise der rapide Niedergang der Linken.
Biographische Angaben: Michalina Golinczak ist seit Oktober 2017 Doktorandin am Zentrum für Interdisziplinäre Polenstudien (ZIP) der Europa-Universität Viadrina. 2010 schloss sie ihr Magisterstudium der Kulturwissenschaften an der Universität Breslau ab.
Fakultät: Kulturwissenschaften
Betreuerin: Prof. Dr. Dagmara Jajeśniak-Quast