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Rückblick 2021/2022

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Das Zentrum für Interdisziplinäre Polenstudien hat bereits im März 2021 sein neues Domizil in der Großen Scharrnstraße 23 a bezogen – einer architekturgeschichtlich äußerst spannenden Straße. Wie kein anderes Quartier wurde die in den Jahren 1986–1988 erbaute spätsozialistische Fußgängerzone mit baubezogener Kunst gestaltet. Nun hat die WohnBau Frankfurt als Eigentümerin die Straße größtenteils saniert, und mehrere Einrichtungen der Viadrina haben hier Quartier bezogen.
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Zum 10. Geburtstag des Zentrums für Interdisziplinäre Polenstudien am 17.06.21 haben wir uns selbst die Patenschaft über eines der Kunstwerke in der Großen Scharrnstraße geschenkt. Es ist dies der Trinkbrunnen von Christian Röhl direkt vor unserer Haustür: https://kunst-im-vorbeigehen.de/index.php/kunstwerke.

Im Rahmen des Jubiläums fand eine Diskussion mit dem Wissenschaftlichen Beirat unseres Zentrums – Prof. Dr. Andrea Loew vom Institut für Zeitgeschichte München, Dr. habil. Magdalena Saryusz-Wolska vom Deutschen Historischen Institut Warschau, Prof. Dr. Brian Porter-Szűcs von der University of Michigan,
Dr. Andreas Ludwig vom Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam – über die Aufgaben der Polenforschung in Gegenwart und Zukunft statt. Dabei ging es u. a. um die Frage nach Polens Rolle in der Weltpolitik, jenseits des deutsch-polnischen und europäischen Kontextes. Erörtert wurde auch das Konzept von Polenstudien als postkoloniale Area Studies, als Forschung über ein Land, an dessen historischem Territorium sich die großen Zäsuren der europäischen Geschichte vollzogen haben. Die Moderation übernahm Dr. Florian Peters vom Imre Kertész Kolleg Jena.

Die politische Lage in Belarus 2021 war für die Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) Anlass, Studierende und Lehrende aus Belarus zu unterstützen und das Wissen über das Land zu vergrößern.
So hat auch das Zentrum für Interdisziplinäre Polenstudien den Wissenschaftler Dr. Vadzim Anipiarkou zur Zusammenarbeit eingeladen. Im Sommersemester unterrichtete er in Kooperation mit dem Russischlektorat zum Thema „Russische Kultur, Geschichte und Literatur im 19. Jahrhundert“. Im Rahmen des Forschungskolloquiums des Zentrums referierte er über die Ereignisse im Dezember 2020: Vor dem Hintergrund der Massenproteste in Minsk verloren insgesamt 15 Angestellte des Historischen Instituts
der Belarussischen Akademie der Wissenschaften ihre Arbeit, das sind ca. 20 Prozent des gesamten Forschungsteams.

Im September 2021 konnte endlich unsere Jahreskonferenz „Transformationsforschung: Polen und Ostdeutschland im Vergleich" in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Solidarność-Zentrum (Europejskie Centrum Solidarności) sowie dem Johann-Gottfried-Herder-Forschungsrat stattfinden. Gut zwei Dutzend Sozial-, Geschichts-, Politik- und Wirtschaftswissenschaftler:innen kamen in Danzig, am Entstehungsort
der Solidarność-Bewegung, zusammen.

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Ein Höhepunkt der Konferenz stellte sicherlich das Gespräch „Rückkehr zum Runden Tisch“ mit Zeitzeug:innen bzw. Akteur:innen der polnischen und deutschen Transformation aus Wirtschaft und Politik dar. Neben Bogdan Lis und Wolfgang Templin als Bürgerrechtler und Teilnehmer an den Runden Tischen 1989/90 diskutierten die erfolgreichen Unternehmer:innen Barbara Sergot-Golędzinowska und Dr. Zbigniew Canowiecki sowie der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dariusz Filar.

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Die Tagung war zugleich eine wichtige Zwischenetappe des Verbundprojekts „Modernisierungsblockaden in Wirtschaft und Wissenschaft der DDR", in das das Zentrum für Interdisziplinäre Polenstudien bereits seit drei Jahren die polnische Perspektive einbringt. Mittlerweile ist der Konferenzband fertig, der als Band 11
in der Schriftenreihe des Zentrums publiziert wird.

Die bereits seit 2014 existierende Schriftenreihe Interdisciplinary Polish Studies erscheint seit 2021 in dem renommierten Wiesbadener Wissenschaftsverlag HARRASSOWITZ – sowohl als Print-Ausgabe als auch im Open Access. Premiere war Band 9 Our Work with the Masses Is Not Worth a Kopeck …. A Document Collection on German and Polish Rural Soviets in Ukraine during the NEP, 1923–1929 (hg. von Frank Grelka und Stephan Rindlisbacher). 2022 erschien Band 10 – die Dissertation von Magdalena Kamińska über die Zusammenarbeit zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen im industriellen Wohnungsbauwesen der 1970er Jahre.

Die 2014 auf Initiative mehrerer einschlägiger Institutionen der Polenforschung in Deutschland ins Leben gerufene und vom Zentrum für Interdisziplinäre Polenstudien umgesetzte Wissenschafts-plattform Polenstudien Interdisziplinär (kurz: Pol-Int) hat sich zu einem wichtigen Vernetzungs-instrument für die internationale geistes- und sozialwissenschaftliche Forschung zu Polen entwickelt. Auf Grundlage einer Bedarfsanalyse haben wir
Pol-Int in den letzten drei Jahren überarbeitet – der Relaunch erfolgte im Januar 2022! Eine wichtige Neuerung ist der Wissenschaftsblog Polenstudien, der insbesondere jungen Polenforscher:innen die Möglichkeit bietet, sich und ihre aktuellen Forschungsprojekte
in innovativen Formaten zu präsentieren.
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Im Juni wurde das 10-jährige Jubiläum des Zentrums für Interdisziplinäre Polenstudien gefeiert: mit einer Fest-rede von Krzysztof Wojciechowski, einer Stadtrallye durch Frankfurt/Słubice und einem wunderschönen Sommerabend in der Kulturmanufaktur Gerstenberger Höfe. Besonders gefreut haben wir uns, dass Dr. Gunter Pleuger, einer der „Väter“ des Zentrums, gekommen ist.
Am 26. Juni 2022 wurde in Eisenhüttenstadt die von Studierenden unter Leitung von Dr. Mark Keck-Szajbel in Kooperation mit dem Museum Utopie und Alltag erarbeitete Ausstellung „Grenzen der Freundschaft". Tourismus zwischen der DDR, ČSSR und Polen eröffnet. Thematisiert werden darin die teilweise offenen Grenzen zwischen den drei Ostblockländern in den 1970er und 1980er Jahren. Die Ausstellung war zugleich Auftakt einer 14-tägigen Sommerschule für internationale Studierende und Doktoranden. Teil dieser
von der Deutsch-Polnischen Wissenschaftsstiftung geförderten Sommer-schule war eine Studienreise mit den Stationen Frankfurt (Oder), Guben/Gubin, Görlitz/Zgorzelec, Prag, Wrocław und Słubice.
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Nach dem Erfolg der 2019 präsentierten Ausstellung „Vertriebene von 1939. Deportationen von polnischen Bürgern aus den ins Dritte Reich eingegliederten Gebieten“ hat das Zentrum nun erneut eine Ausstellung
zum Thema Vertreibungen nach Frankfurt (Oder) geholt: „Ausgewiesen! Die Geschichte der Polenaktion 1938" zeigte vom 28.10. bis 27.11.2022 in der Frankfurter Marienkirche die Geschichte dieser ersten Massendeportation aus dem Deutschen Reich, lokalhistorisch ergänzt durch das Schicksal des Frankfurter Bürgers Eliasz Rammer. Es wurden 1.500 Besucher:innen gezählt.
Das Jahr 2022 war auch für uns vor allem durch den russischen Überfall auf die Ukraine geprägt. Privat und beruflich unterstützen wir seit Februar Kollegen, Freunde und Geflüchtete aus der Ukraine. So fanden bei uns die Wissenschaftler:innen Dr. Vasyl Tkachivskyi und
Dr. Maria Tkachivska aus Ivano-Frankivsk, aber auch
Dr. Tatiana Timofeeva aus Moskau Asyl. Der Viadrina Förder- und Notfallfonds Ukraine wurde unsererseits mit Fundraising-Know-how und einem Benefiz-Konzert in der Frankfurter Friedenskirche unterstützt. 
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Und auch der Wissenschaftsblog auf Pol-Int wurde den Ukrainestudien gewidmet. Beiträge u. a. von
Prof. Alexander Wöll, Prof. Annette Werberger und Dr. Susann Worschech informierten über Geschichte, Kultur und Zivilgesellschaft der Ukraine. Prof. Andrii Portnov spricht über die Verflechtung der Ukraine mit Polen und zeigt damit auch für das Zentrum für Interdisziplinäre Polenstudien wichtige Entwicklungsperspektiven auf.

Wir möchten uns bei Ihnen ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit und Unterstützung bedanken und wünschen uns allen ein gutes und vor allem friedvolles Jahr 2023 mit vielfältigen Möglichkeiten für Austausch und persönliche Begegnung.

Dagmara Jajeśniak-Quast im Namen des gesamten Teams

P.S.: Was noch?

Im September 2022 fand in Kooperation mit der Kommission für die Geschichte der Deutschen in Polen die mittlerweile 10. Jahreskonferenz des Zentrums zu der Fragestellung „Landes- und Regionalgeschichte versus Nationalgeschichte?“ statt. Einen ausführlichen Bericht finden Sie hier.

Bei einer Reihe von Veranstaltungen kooperierte unser Zentrum mit der Karl Dedecius Stiftung: Am 14.11.2022 fand das 2. Symposium BARTOSZEWSKI PROMEMORIA zum Thema „Europa als gemeinsame Perspektive. Deutschland, Polen und Ukraine im Jahr 2022/23“ statt. Seit November 2022 ist vor der Bibliothek der Viadrina die Fotografie-Ausstellung „Tadeusz Różewicz – ein Dichter, der inspiriert“ zu sehen. Dazu fand auch ein Podiumsgespräch mit der Autorin der neuesten Biographie des Dichters Magdalena Grochowska und dem Fotografen Adam Hawałej statt.

Auf unserem Forschungskolloquium haben in den letzten zwei Jahren Wissenschaftler:innen in 33 Vorträgen ihre neuesten Forschungsergebnisse präsentiert und diskutiert. Zum letzten Termin im laufenden Jahr wird am 14.12. das Buch In den Häusern der Anderen. Spuren deutscher Vergangenheit in Westpolen von Karolina Kuszyk vorgestellt.