Banner Viadrina

Dissertationsprojekt: Zwischen unerwünschter und produktiver Wissenschaft. Die Geschichte der polnischen Soziologie im Prozess der sozialistischen Modernisierung Polens (1944-1989)

Projektlaufzeit

04.2019–03.2023

Projektleitung

Konrad Walerski M.A. (Betreuung und Erstgutachterin: Prof. Dr. Anna Schwarz, Zweitgutachterin: Prof. Dr. Dagmara Jajeśniak-Quast)

Beschreibung

Die Geschichte der polnischen Soziologie kann als Spiegelbild der historischen Wirklichkeit Polens in ihrer sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Dimension gesehen werden. Seit über 100 Jahren der Entwicklung an polnischen Universitäten prägten äußere und innere historische Veränderungen diese Disziplin maßgeblich. In der gesellschaftlichen Folgen dieser Prozesse haben die Soziologen gleichzeitig ein reiches Forschungsmaterial gefunden. Einerseits waren ihre wissenschaftlichen Aktivitäten eine Art Antwort auf den in polnischen Bedingungen verzögerten Übergang vom traditionellen und agrarischen sozioökonomischen System zum bürokratischen, industriellen Klassensystem und schließlich auch auf die Herausforderungen der Systemtransformation. Andererseits gab die Soziologie die Richtung für die Etablierung des modernen und wissenschaftlichen Denkens über die polnische Gesellschaft vor und dokumentierte ihre Veränderungen unter dem Einfluss komplexer sozialistisch bzw. sowjetisch inspirierten Modernisierungsprozesse. Diese Tatsache verleiht dem Erbe der polnischen Soziologie zweifellos einen reichen historischen Wert. Diese Disziplin spielte nämlich eine bedeutende Rolle in der Diskussion in der Volksrepublik Polen über die Errungenschaften (und tatsächlichen Versuchen) in der Industrialisierung, Urbanisierung, den Umwandlungen innerhalb der Klassen- und Berufsstruktur der polnischen Gesellschaft,  über Ursachen und Auswirkungen räumlicher Mobilität (Migration, Umsiedlung und Entwicklung der Westgebiete) und über die Entstehung neuer Institutionen, Verhaltensweisen, Einstellungen und gesellschaftlicher Normen. Außerdem war die Existenz der soziologischen Forschung wahrscheinlich der einzige Parameter für die erscheinenden Blockaden und Misserfolge in der imitierten bzw. nachholenden sozioökonomischen Entwicklung im Staatssozialismus.

Das Forschungsprojekt widmet sich der Untersuchung des inhaltlichen Beitrags der polnischen Soziologie zur Reflexion über Potenziale, Errungenschaften und Blockaden der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Modernisierung in der VR Polen. Mit diesem Ziel werden Fragestellungen bezüglich der Gesamtentwicklung dieser Disziplin beantwortet – von der Institutionalisierung und Organisation soziologischer Studien an Universitäten über die Entwicklung soziologischer Schulen und Denkkollektive, theoretischer und methodologischer Strömungen, die Entwicklung der soziologischen Gemeinschaft, ihre politischen und ideologischen Dilemmata bis zu Erfolgen und Grenzen in der Forschung (wie Forschungsfreiheit, politisches Engagement der Soziologen, internationale Einbindung und Kontakte mit dem Westen). Schließlich erfordert dieses Vorhaben eine Frage nach der Einstellung der polnischen Soziologie auf Brüche und Kontinuitäten mit der Traditionen des 19. Jahrhunderts und der Zwischenkriegszeit. Darüber hinaus wird das Projekt die Möglichkeit geben, die Bedingungen für die Entwicklung der polnischen Gesellschaft im letzten Jahrhundert – mit der (post)kommunistischen Transformation, ihrer Begrenzungen und nachfolgenden Konsequenzen – zu verstehen.

Die Umsetzung dieses Forschungsvorhabens erfolgt auf der Grundlage einer kritischen Analyse der Archivquellen polnischer Universitäten und wissenschaftlicher Einrichtungen sowie der soziologischen Literatur. Eine solche Herangehensweise an das Thema ermöglicht einen innovativen Blick auf die gesamte Geschichte der polnischen Soziologie in den Jahren 1944-1989.

Bisherige Publikationen

Flade, Falk, Steinkamp, Anna M.; Walerski, Konrad (Hg.): Transformation in Polen und Ostdeutschland. Voraussetzungen, Verlauf und Ergebnisse. Interdisciplinary Polish Studies 11, Wiesbaden Harrassowitz 2022, 11-20. ISBN: 978-3-447-11947-4; https://doi.org/10.11584/ips.11

Walerski, K.: „Brüche und Kontinuitäten in der historischen Tradition der polnischen Soziologie“, in: Flade, F., Steinkamp, A. M., Walerski, K. (Hg.): „Transformation in Polen und Ostdeutschland. Voraussetzungen, Verlauf und Ergebnisse“, Harrassowitz Verlag: Wiesbaden 2022.

Förderung

Bundesministerium für Bildung und Forschung (2018–2023)